Prolog / Vorgeschichte
Prolog / Vorgeschichte

Der alte Friedrichstadt-Palast entsteht nicht an der Friedrichstraße, sondern am Schiffbauerdamm. 1867 wird dort die erste Markthalle Berlins nach Pariser Vorbild errichtet, die aber mangels Kundschaft schon nach sechs Monaten schließen muss.

Erster Weihnachtstag 1873 – große Eröffnung eines großen Zirkus. Mit enormem Aufwand wurde die alte Markthalle umgebaut und ein Zirkus mit gigantischen Ausmaßen ist entstanden. Der Name erinnert noch an den Vorgängerbau: „Markthallen-Zirkus“.

Großes Schauspielhaus
1919-1933

Max Reinhardt ist ein herausragendes Multitalent: begnadet als Schauspieler, wegweisend als Regisseur und wagemutig als Schöpfer eines ganzen Theaterkonzerns. 1933 verliert er als Jude seine Berliner Theater. 1938 emigriert er in die USA.

Peter Poelzig ist der Enkel Hans Poelzigs und ebenso wie sein Großvater Architekt. Er berichtet über die verschiedenen Fähigkeiten seines Großvaters und über die städtebauliche Einordnung des neuen Friedrichstadt-Palastes.

Reinhardt eröffnet mit der antiken „Orestie“ des Aischylos und schickt Spitzendarstellende und bis zu 1000 Statist:innen in die Arena. Mit sensationellen Massenszenen besteht das Theater seine erste Bewährungsprobe und wird zum Hauptstar des Abends.

Die historisch-politische Mammutshow kommt aus Anlass der Eröffnung des X. Parteitages der KPD auf die Bühne. Theateravantgardist Erwin Piscator setzt bei dieser Aufführung neben dokumentarischen Spielszenen auch den Film als Element der Bühnenaktion ein.

Nach dem Vorbild der amerikanischen „Revellers“ ruft der Sänger Harry Frommermann die Gesangsvereinigung 1927 in Berlin-Friedenau ins Leben. Der Aufstieg des Ensembles beginnt am Großen Schauspielhaus in Berlin.

Theater des Volkes
1933-1945

Mit einer Kombination aus gesetzlichen Vorgaben, der politisch motivierten Anwendung des Körperschaftsrechts, Raub und Terror schaffen es die Nationalsozialisten, sich bis zum Frühjahr 1934 Max Reinhardts Theater anzueignen.

Im Mai 1935 wird „Frau Luna“ inszeniert. Aus der zweiaktigen Operette von 1921 ist eine Revue in neun Bildern entstanden, die eine außergewöhnliche Szenerie bietet: Inmitten einer Wolkenprojektion steigt ein Flugzeug von der Bühne zum Mond auf.

Im Saal werden die Stalaktiten entfernt, die große Kuppel abgehängt, die Bühne verändert. Als „entartet“ gilt jetzt alles, was sich dem nationalsozialistischen Schönheitsideal entgegenstellt, auch Poelzigs Architektur im Theater des Volkes.

Anfang 1943 wird das Theater des Volkes kurze Zeit zum Filmstudio und dient als Varieté „Tabarin“ für die Außenaufnahmen des Films „Akrobat schö-ö-ö-n“. Die Hauptrolle spielt der damals berühmte Clown Charly Rivel, der im Film Ausschnitte seines Bühnenprogramms zeigt.

Berlin / Berlin
1945-1961

Berlin bekommt seinen „Palast“ zurück. Am 17. August 1945 beginnt um 17.30 Uhr die erste Vorstellung nach dem Krieg. Direktorin des Hauses ist Marion Spadoni, Tochter einer Artistenfamilie und Großnichte des früheren Zirkusinhabers Schumann.

Der Winter 1946/47 ist einer der kältesten seit Jahrzehnten. Von Anfang Januar bis März liegt Berlin im Dauerfrost. Der Palast öffnet ab dem 9. Januar tagsüber für die notleidende Bevölkerung als „Wärmehalle“. Die anderen Theater Berlins werden dem Beispiel folgen.

Berbé Schmidt ist Mitglied des Kindervarietés im alten Friedrichstadt-Palast. Sie berichtet von einem kleinen Missgeschick bei ihrem ersten Auftritt auf der Bühne und wie sie zu ihrer Rolle gekommen ist.

Marion Spadoni wird zum 1. September die Lizenz entzogen aufgrund der geschäftlichen Trennung der Unternehmen. Die Geschäfte führt nun Nicola Lupo. Am 1. November wird der „Palast“ in „Friedrichstadt-Palast“ umbenannt und Nicola Lupo neuer Direktor.

„Einmal am Rhein“ markiert den Beginn einer Entwicklung: Die Produktionen lösen sich vom traditionellen Nummernprogramm und werden revueartiger. Mit der Mischung aus Gesang, Tanz und Artistik inszeniert Gottfried Herrmann eine Stationenrevue ganz im klassischen Sinne.

Der Prager Schauspieler Jiří Vršťala entwickelt die Kunstfigur Clown Ferdinand ab 1955 für das tschechische Kinderfernsehen. Zwei Jahre später beginnt eine lang anhaltende Kooperation mit dem DDR-Kinderfernsehen und er tritt zum ersten Mal im Friedrichstadt-Palast auf.

Geteilte Stadt
1961-1989/90

Im November 1961 wird Wolfgang E. Struck zum Direktor des Friedrichstadt-Palastes berufen. Bereits in seiner Antrittspressekonferenz spricht er davon, der Ausstattungsrevue zu neuer Blüte verhelfen, aber auch Neues ausprobieren zu wollen. 27 Jahre lang wird er das Revuetheater leiten und in dieser Zeit das Haus zur wichtigsten Unterhaltungsbühne der DDR machen.

Eine 25-Jährige taucht zum ersten Mal auf dem Besetzungszettel auf: Helga Hahnemann. „Eine kleine Nachtmusike“ wird ihr Palast-Debüt, die Rolle klein, aber der Eindruck, den sie hinterlässt, groß. Damals noch als „mehr lautstarke denn stimmschöne ,Klemmbrumme‘“ bezeichnet, wird aus dem „jungen Talent“ einer der beliebtesten Unterhaltungsstars der DDR.

Helga Molling begleitet den Palast von 1964 bis 1980 als Tänzerin. Danach wechselt sie von der Bühne ins Büro, in den Besucherdienst. Sie erzählt, was der Friedrichstadt-Palast für sie bedeutet und warum sie so gerne in der Kickline getanzt hat.

Das Novemberprogramm „da capo“ wartet mit wechselnden Gaststars auf. Ein Name wird alle überstrahlen: Josephine Baker. Sie ist jetzt 63 Jahre alt und tritt mit wallendem Schwanenpelz, Federboa und großem Kopfputz auf – sichtlich nicht mehr ganz neu und nicht mehr ganz weiß.

Am 29. Januar geht der erste „Kessel“ live auf Sendung. Die Fernsehrevue ist eine Mischung aus Tanz und Musik, Artistik, Kabarett und Zirkus und wird zwei Jahrzehnte lang die wichtigste Unterhaltungsshow des Fernsehens der DDR sein.

Nach fünf Folgen wird der „Kessel“ bunt und mit der siebten feiert er Geburtstag. „Es lebe der erste Jahrestag“ steht auf dem Transparent der Moderatoren und zur Feier des Tages gibt’s ein neues Bühnenbild. Die Nachwäsche hat es allerdings in sich.

Wolfgang Stiebritz ist 40 Jahre lang am Palast engagiert, erst als Solotänzer und zuletzt als stellvertretender Ballettdirektor. Er erzählt von der Grundsteinlegung für das Gebäude des neuen Friedrichstadt-Palastes und schwärmt von den technischen Möglichkeiten des Neubaus.

Am 29. Februar meldet die staatliche Nachrichtenagentur ADN, dass ab dem 1. März keine Vorstellungen mehr im Friedrichstadt- Palast stattfinden können. Die Sicherheit der Zuschauer:innen sei nicht mehr gewährleistet. Am Abend findet die letzte Vorstellung statt.

Von 1981 bis 1991 ist Julia Richter Mitglied des Jungen Ensembles. Die heutige Schauspielerin erinnert sich besonders an Clown Ferdinands Auftritte, erzählt, welches Verhältnis sie mit einem Drachen hatte und über eine Panne mit einem Xylophon.

Jürgen Ledderboge betreut als Oberbauleiter den Bau des neuen Friedrichstadt-Palastes von der Projektierung bis zur Schlüsselübergabe. Er berichtet über die Herausforderungen, die solche Großprojekte mit sich bringen und was Milch-Melkanlagen mit dem Foyer zu tun haben.

Es sind Dimensionen eines Staatsakts – die Oberen der Partei- und Staatsführung der DDR sitzen im Publikum. Das DDR-Fernsehen überträgt erst eine Stunde später – zu wenig Zeit, um die Pointen des Conférenciers O.F. Weidling vor dem Ausstrahlen einzukassieren.

Heute / Gegenwart
ab 1990

Bis zur ersten Wahl eines Gesamtberliner Senats 1991 verwalten der Magistrat von Berlin (Ost) und der Senat von Berlin (West) die Stadt gemeinsam. Wie aber umgehen mit den Kultureinrichtungen der ehemaligen Hauptstadt der DDR?

Alina Levshin wird mit sechs Jahren Mitglied im Jungen Ensemble. Die Schauspielerin erzählt, was den Palast aus ihrer Sicht besonders macht – damals und heute – und wie echte Lebkuchen auf die Bühne kamen.

Eleonora Alexandrowa kommt 1989 an den Palast und tanzt sowohl in der „Kleinen Revue“ als auch in der „Großen Revue“. Wie man Diva, liebevolle Mutter und die Zerstörung Casanovas unter einen Hut kriegt, erzählt die ehemalige Solotänzerin.

Thomas Hermanns – Gründer des Quatsch Comedy Clubs – verrät, warum es zwischen ihm und der Kleinen Revue im Keller Liebe auf den ersten Blick war und wie es ihm gelang, Mitglied der berühmten Kickline zu werden – zumindest für einen Augenblick…

Gina Stiebitz tanzt fünf Jahre lang im jungen Ensemble. Hier erzählt sie, warum sie nicht über das Casting ins Ensemble kommt, sondern als Quereinsteigerin und berichtet von ihren schönsten Momenten im Palast.

Der französische Modedesigner Jean Paul Gaultier berichtet, wie Berlin und seine Ikonen ihn bei der Arbeit für „The One“ beeinflusst haben und von der gelungenen Zusammenarbeit mit dem Team des Palastes.

Zum Jubiläum lädt der Friedrichstadt-Palast keine Prominenz, sondern 1.900 Berliner:innen ein: aus Krankenhäusern, von der Feuerwehr, der Polizei und aus Hilfseinrichtungen, Menschen, die sich freiwillig und ehrenamtlich für das Gemeinwohl engagieren.

Am 11. Juli sollte die Dernière der Jubiläumsspielzeit stattfinden. Im März 2020, nur vier Monate nach dem 100-jährigen Bühnenjubiläum, kommt jedoch alles anders: Durch die Corona-Pandemie findet der Spielbetrieb für 17 Monate ein jähes Ende.

1984 wird der neue Friedrichstadt-Palast nach nur 39 Monaten Bauzeit als letzter Repräsentationsbau der DDR vor der Wende eröffnet. Nun wird der zeitgenössische Plattenbau mit seinen Anklängen an Jugendstil und Art Déco unter Denkmalschutz gestellt.

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2024-12-20 17:29:54 | 1734715794

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